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9 Nov. 2024; 08:01
6.1.4. Schlussfolgerungen aus dem Quellenvergleich
 
Viele Argumente aus den von mir herangezogenen Forschungsartikeln spiegeln sich in den Aussagen, der von mir befragten Personen wider. Die folgende Tabelle zeigt eine Gegenüberstellung meiner sekundären und primären Quellen:

ForschungsartikelInterviews
Auflauernunter Punkt A9 erläutert
Unaufdringliches Benachrichtigenn.t.
Am Laufenden haltenDieser Aspekt wurde nur vom Programmierer erwähnt. („Wir machen im Groben eine Übersicht. Wer macht was und wer macht es wie und wann“) Bei den anderen konnte es gar kein Thema sein, da sie keinen permanenten Chat-Raum zu Verfügung hatten.
Sanktionsfreier DiskussionsraumNur der techn. Kundenbetreuer äußerte eine Aussage, die in diese Kategorie einzuordnen ist: „Ich bin auch im Betriebsrat. Es ist auch oft so, dass wir kurze Abstimmungen über den Chat machen, weil das kann ich nebenbei machen und es hört niemand, wenn ich über irgendetwas rede, was sonst niemand hören soll.“
OuteractionDieses Phänomen findet sich ausführlich im Punkt A1 „Erreichbarkeit“ wieder.
Intermittent conversationDieser Aspekt wurde vom techn. Kundenbetreuer und dem Schulungsleiter erwähnt, als ich die Frage der durchschnittlichen Dauer ihrer Chat-Gespräche stellte.
Wechseln des KommunikationsmittelsUnter Punkt A7 erläutert
Ungezwungener, freundlicher Stiln.t.
Kurze FragenPunkt A2 der Interviewauswertung bestätigt diesen Aspekt vollständig.
Geringere Assymetrie der Komm.-bereitschaftNur der techn. Kundenbetreuer trifft eine zu diesem Thema passende Aussage: „Das ist ein großer Vorteil man unterbricht den anderen nicht in einer anderen wichtigen Tätigkeit, sondern man bekommt Feedback, wann man Zeit hat. Es hat sich bei uns eingebürgert, dass man diese Statusinformation recht gezielt verwendet.“
IM-Gespräche nebenbeiUnter Punkt A6 erläutert
Vor-& Nachteile der „presence awareness“Dieser Aspekt wurde von den Interviewten nur im positiv Sinne angesprochen (siehe auch Punkt 1)
Kritische Massen.t.
Informelle Komm.Wurde von den Befragten nicht direkt thematisiert, taucht jedoch indirekt in Punkt A5 „Essen vereinbaren“ auf.
Gründe für Nichtnutzung1) Kein Bedarf: kommt beim Schulungsleiter zum Ausdruck 2) Kommunikationsstil: vergleichbar mit Punkt A4 „Smileys“ 3) Störungsquelle: Sekretärin erwähnte dies
Tabelle 6: Vergleich zwischen den sekundären und primären Quellen

Aus der Auswertung der Interviews kristallisierten sich für mich im Wesentlichen drei Themenbereiche heraus, die in der von mir zusammengefassten Forschungsliteratur vernachlässigt werden.

I. Qualität der vermittelbaren Inhalte
Kombiniert man die Ergebnisse aus Punkt 2 „Kurzinformtionen“, Punkt 7 „Wechsel zwischen Kommunikationsmittel“ und die Zusammenfassung über die Inhalte von Chat-Gesprächen Punkt B1+B2, ergibt sich für mich ein klares Bild der Qualität von Chat-Kommunikation. Um hier noch mal den Education Consultant zu zitieren, es handelt sich dabei um klare, „scharf abgegrenzte Informationen“. Das erklärt für mich auch, warum die Techniker (Programmierer und techn. Kundenbetreuer) den Chat intensiver einsetzen als andere. Programmiercodes und Anleitungen zur Nutzung und Wartung von technischen Geräten umschreiben klare, konkrete Sachverhalte, die keiner Interpretation bedürfen. Auch das schrittweise Verteilen von klaren Aufgaben oder Absegnen von zuvor erarbeiteten Punkten kann man zu den klaren, konkreten Gesprächen dazurechnen.

Einzelne Feststellungen aus der Forschungsliteratur fügen sich in diese Hypothese. Nardi et al. (2000) weisen auf den Wechseln von Kommunikationsmittel hin und bezeichnen Instant Messanger als „ideales Kommunikationsmittel für kurze Fragen“ (siehe Kapitel 6.1.2.1). Auch die Ergebnisse von Handel et al. (2002) über die Inhalte von Chat-Gesprächen (siehe Kapitel 6.1.2.3) erlauben meiner Meinung nach einen Rückschluss auf meine Hypothese, die jedoch keiner der Autoren selbst direkt ausspricht. Natürlich gehört diese Hypothese noch genauer überprüft. Vor allem bedarf es noch einer konkreten Klärung, warum komplexe Themen nicht über Chat besprochen werden können. Entsprechende Ergebnisse würden meiner Meinung nach einen wertvollen Beitrag für den gezielten Einsatz von Chat-Technologien liefern.

II. Speichern und Archivieren von Chat-Gesprächen
Das Speichern von Chat-Gesprächen wirft vielerlei Aspekte auf. Wie die Aussagen von Interviewten beweisen, gibt es Fälle wo es sinnvoll sein kann. Im Detail sollte man unterscheiden, ob der Sinn des Speicherns in den konkreten Inhalten des Chats liegt oder in der Möglichkeit der „Überwachung“. Beide Aspekte kommen vor. Geht es um die Inhalte, bin ich der Meinung, dass Chat-Tools mehr Möglichkeiten bieten sollten, die Form von Chat-Gesprächen zu manipulieren bzw. strukturieren. Dies können Funktionalitäten sein, die man während (z.B. Markierung, Positionierung, Bereichstrennung) oder nach einem Gespräch (z.B. Filter) anwenden kann. Auch wenn beispielsweise der Versuch von Farnham et al. (2000) nicht besonders erfolgreich war, so finde ich, dass man hier weitere Schritte in diese Richtung vornehmen sollte. Die Strukturierungsmöglichkeiten sollten meiner Meinung nach mehr ein Angebot für ein Chat-Gespräch als ein Zwang sein. Sie sollten vor allem direkt vom Menschen gesteuert werden und nicht nach einem vorgegebenen Schema, das unabhängig von der Situation maschinell abläuft. Ich finde, dass hier die Entwicklungen der Marktforschung (siehe Kapitel 5.5) auch für andere Bereiche interessant sein können. Im starken Zusammenhang zur Form von geschriebenen Inhalten steht auch das Dateiformat in dem sie abgespeichert werden. Sind die Strukturierungsmöglichkeiten nur im Chat-Tool selbst zu lesen oder können diese in ein übliches Textformat wie z.B. Word exportiert werden? Dies spielt vor allem bei der Archivierung von Chat-Gesprächen eine große Rolle. Schlussendlich können Chat-Protokolle auch für „Überwachung“ missbraucht werden. Daher muss in jedem Fall genau geklärt werden, wer unter welchen Bedingungen ein Gespräch speichern darf. Schlussendlich müssen früher oder später auch rechtliche Grundlagen für die Beweiskraft eines gespeicherten Chat-Gesprächs geschaffen werden. Da die Möglichkeit des Speicherns ein wesentlicher Vorteil des Chats gegenüber dem Telefon ist, ist es wichtig, diese noch offenen Punkte zu klären, um diesen Vorteil auch tatsächlich langfristig zu gewährleisten. Zukünftige Chat-Entwicklung sollten dem Thema „Speichern“ hohe Aufmerksamkeit schenken.

III. Schriftsymbolik
In der privaten Freitzeitkommunikation werden in Chats Schrift-Symbole wie Smileys intensiv eingesetzt. Sie sind meiner Meinung nach eine Kompensation für die fehlenden nonverbalen Kommunikationsinformationen und daher wichtiger Bestandteil für erfolgreiche Kommunikation im Chat. Diese Schriftsymbole sind jedoch eine entscheidende Stilfrage. Vielleicht werden diese Symbole eines Tages für jeden selbstverständlich werden, doch kann ich mir vorstellen, dass dies für bestimmte formelle geschäftliche Gespräche nie der Fall sein wird. Daher sollte man dieser Thematik mehr Aufmerksamkeit schenken und die Palette der Schriftsymbole um formelle Formen erweitern, wenn Chat-Technologien in der Arbeitswelt breiter zum Einsatz kommen sollen.

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Author: Astrid Holzhauser; Copyright: Astrid Holzhauser; Published by: Astrid Holzhauser (Astrid_H)
factID: 154877.1; published on 31 May. 2004 11:22